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Purpose im Mittelstand – eine Bestandsaufnahme

  • Autorenbild: Christina Zeiher
    Christina Zeiher
  • 27. Mai 2024
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Aug. 2024

Der Purpose als Kompass in einer komplexen (Geschäfts-)Welt


Der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, steht angesichts globaler Krisen wie dem Ukrainekrieg, der Energiekrise, Inflation und dem Fachkräftemangel vor zahlreichen Herausforderungen. In solchen Zeiten wächst das gesellschaftliche Bedürfnis nach Stabilität, Zusammenarbeit und Sinnstiftung bzw. Identität. Unternehmen sind daher mehr denn je gefordert, ihre positive Wirkung gegenüber Mitarbeitenden, Kunden und der kritischen Öffentlichkeit sichtbar zu machen.


Der entscheidende Faktor? Der Purpose. Warum? Ein starker Purpose kann als Kompass dienen, der Unternehmen hilft, in turbulenten Zeiten den Kurs zu halten. Er reduziert die Komplexität der Handlungsoptionen und verleiht Organisationen eine klare Ausrichtung, die von allen Mitarbeitenden verstanden und geteilt wird (Krügl, 2022).


Außerdem stärkt ein klar definierter Purpose die finanzielle Performance und fördert nachhaltiges Wachstum von Unternehmen. Diese positiven Effekte resultieren häufig aus der gesteigerten Produktivität der Mitarbeitenden, die sich stärker mit ihrem Arbeitgeber identifizieren und dadurch zufriedener sind. Ein Purpose wirkt jedoch nicht nur nach innen, sondern auch nach außen: Er erhöht die Kundenloyalität und erleichtert das Knüpfen von Partnerschaften. Unternehmen mit einem Purpose haben somit einen strategischen Vorteil auf mehreren Ebenen. Diese Beispiele sind nur eine Facette der umfangreichen Wirksamkeit eines Purpose. Möchtest du mehr über dieses Thema erfahren? Dann lies auch unseren Blogbeitrag „Sinn macht Sinn“.


Ein Kompass ohne Nadel – viele treiben trotzdem noch ziellos umher


Trotz der offensichtlichen Vorteile des Purpose-Konzepts hat es im deutschen Mittelstand noch keinen umfassenden Einzug gehalten. Eine Online-Umfrage unter 353 Kommunikationsprofis aus dem Jahr 2021, durchgeführt von news aktuell und Faktenkontor, ergab, dass lediglich die Hälfte der deutschen Unternehmen einen explizit formulierten Purpose besitzt. Ähnliches zeigt die Let’s-Purpose-Studie von ETL in Kooperation mit der Universität Leipzig: Bei einer Befragung von 207 deutschen KMUs gaben nur 58% der Unternehmen an, bereits einen Purpose definiert zu haben (ETL, 2023).


Doch wie verlässlich sind diese Zahlen? Eine klare Purpose-Strategie scheint für viele KMU noch ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Die Hälfte der mittelständischen Unternehmen mag zwar behaupten einen Purpose zu haben, aber ist dieser Purpose denn auch gut formuliert? Und wird er im Unternehmen strategisch verankert und spürbar gelebt?


Laut dem Artikel „Der (Un)Sinn von Purpose“ von Krügl (2022) fehlen in der aktuellen Literatur zur Gestaltung kollektiver Sinnhaftigkeit und zur Ausrichtung von Arbeit auf den Unternehmenszweck drei wesentliche Elemente: Orientierung (Was ist Purpose?), Klarheit (Wie wird Purpose gestaltet?) und Evidenz (Warum ist Purpose wichtig?) – kurz gesagt: das What, How und Why des Purpose. Wenn diese Fragen nicht einmal in der akademischen Literatur vollständig geklärt sind, wie soll sie dann der deutsche Mittelstand wirksam umsetzen?


Dabei wäre es für den Mittelstand gar nicht so schwer


Auch wenn es ihnen häufig nicht bewusst ist, hat der Purpose bei deutschen Mittelständlern und Familienunternehmen oft eine lange Tradition. Der Ursprung des Purpose vieler Mittelständler liegt in ihrer Geschichte und ihrem Gründungsmythos. Meist ist er tief und fast schon selbstsprechend im Produktportfolio verankert, was ihnen einen echten Vorteil gegenüber diversifizierten Konzernen verschafft. Denn neben der historischen Verwurzelung ist auch der Unternehmens-Fokus klarer definiert. KMUs sind überschaubar, meist in einer spezifischen Branche tätig und verfügen über ein Portfolio, das klare Botschaften zu verantwortlichem Wirtschaften an die Welt vermitteln kann. Ein Beispiel hierfür ist Vaude, ein nachhaltig innovativer Outdoor-Ausrüster, der umweltschonend und fair produziert. Ihre einfache Botschaft lautet: "Wir stellen unsere Produkte so her, dass sie die Umwelt nicht unnötig belasten" (W&V, 2019).


Die Voraussetzungen im Mittelstand sind also günstig, doch woran scheitert es?


Woran scheitert der Mittelstand?


Der deutsche Mittelstand zeichnet sich durch seine große Vielfalt aus und umfasst Unternehmen unterschiedlicher Größen und Umsätze. Ebenso vielfältig wie die Akteure sind auch die unterschiedlichen Stadien, in denen sich KMUs in Bezug auf ihren Purpose befinden, wie in Grafik 1 veranschaulicht. Diese Stadien unterscheiden sich häufig entlang zweier Dimensionen: Purpose-Kommunikation und Purpose-Implementierung.


Grafische Veranschaulichung in Form einer Matrix die darstellt in welchen Stadien sich der deutsche Mittelstand in Bezug auf den Purpose befindet
Grafik 1: Auf diese Szenarien stößt man im deutschen Mittelstand

Einige Unternehmen, die Purpose-Nachzügler, haben bisher keinen Purpose oder nur ein unklar formuliertes Purpose-Statement, das oft mehr Verwirrung als Klarheit stiftet. Diese Unternehmen haben meist auch keine oder unspezifische Handlungen definiert, um den Purpose in der Organisation und marktseitig zu verankern.


Die Purpose-Träger haben das Potenzial eines Purpose erkannt, schöpfen es jedoch nicht hinreichend aus. Dies liegt oft an einer unzureichenden Kommunikation nach innen und außen oder/und an einer mangelhaften Implementierung, die den Purpose durch konkrete und wirksame Purpose-Initiativen in Aktion bringt.


Die kleinste Kategorie, die Purpose-Vorreiter, zeichnet sich durch einen stark verankerten Purpose aus, der sowohl kommunikativ als auch strategisch vollständig integriert ist. Diese Unternehmen erzielen messbare positive Effekte (schnelleres Wachstum, bessere Rentabilität, höhere Mitarbeiterbindung etc.).


Im folgenden Abschnitt befassen wir uns mit den typischen Fehlern, an denen der Mittelstand derzeit noch häufig scheitert und die den Weg zum Purpose-Vorreiter (noch) blockieren.


Dimension Purpose-Kommunikation

Methodische und begriffliche Klarheit sind unerlässlich


Laut einer Kienbaum-Studie aus dem Jahr 2020 verwechseln viele Unternehmen fälschlicherweise ihre Mission mit ihrem Purpose. Tatsächlich verschwimmen in vielen Fällen die Grenzen zwischen Purpose, Vision und Mission, was dazu führt, dass diese Begriffe oft synonym verwendet werden. Diese Vermischung beeinträchtigt die strategische Klarheit und mindert die motivationalen und kommunikativen Vorteile, die ein authentisch gelebter Purpose bieten kann.


Man muss realistisch bleiben


Darüber hinaus zeigen Konzern-Beispiele, wie das einer internationalen Kaffeehauskette „To inspire and nurture the human spirit“, dass viele Unternehmen in ihrer Purpose-Formulierung über das Ziel hinausschießen. Solche Aussagen wirken oft wie vollmundige Marketingversprechen, die wenig mit der tatsächlichen Tätigkeit des Unternehmens zu tun haben (Human Resources Manager, 2022).


Für Unternehmen aus dem Mittelstand ist es daher besonders wichtig, realistische Maßstäbe mit ihrem Purpose zu setzen, um als authentischer Player wahrgenommen zu werden und nicht in eine Glaubwürdigkeitsfalle zu laufen.


Ohne Kommunikation ist alles nichts


Wenn es nicht gerade an der Formulierung scheitert, dann oft an der Kommunikation. Eine Studie von Kienbaum aus dem Jahr 2020 zeigt, dass 60% der 1.300 befragten Fach- und Führungskräfte in Deutschland nicht in der Lage sind, den Purpose ihres Unternehmens spontan zu benennen. Dies deutet darauf hin, dass der Purpose häufig nicht ausreichend in den Alltag und das Bewusstsein der Mitarbeitenden integriert ist.


Die Lösung dieses Problems? Der Einbezug der Mitarbeitenden. Im Mittelstand liegt die Entwicklung des Unternehmens-Purpose oft in den Händen der Geschäftsführung oder beruht auf der Vision der Gründer. Die Energie, die hierbei entsteht muss dann an die Mitarbeitenden weitergetragen werden – jede und jeder Einzelne muss seinen individuellen Beitrag zum Unternehmenserfolg und zur Erfüllung des Purpose kennen.


Dimension Purpose-Implementierung

Die konsequente Übersetzung des Purpose in Handlungen


Dem Management kommt dabei eine tragende Rolle zu: Sie müssen den abstrakt formulierten Purpose in konkrete Handlungsweisen auf Team- und Abteilungsebene übersetzen, um die ganze Organisation dazu zu befähigen, diesen Prozess gemeinsam zu gestalten (Krügl, 2022). Besonders für Mitarbeitende, deren Aufgaben fernab von Produkten oder Dienstleistungen liegen (und damit fernab von der direkten Umsetzung des Purpose), ist der Sinn ihrer Arbeit oft unklar. Nach einem langen Tag voller Bürokratie und Meetings stellt sich häufig die Frage: „Was bewirke ich hier eigentlich?“.


Obwohl sich Purpose Statements wie "Technologie für das Leben" das zwar gut anhören mögen, bleibt oft unklar, wie genau dieser Purpose im täglichen Geschäftsbetrieb und in den einzelnen Produkten umgesetzt wird. Viele Mitarbeiter:innen und Kunden könnten Schwierigkeiten haben, die konkrete Verbindung zwischen diesem übergreifenden Zweck und ihrer täglichen Arbeit oder ihren Interaktionen mit dem Unternehmen zu erkennen.


Wahre Hingabe beginnt dort, wo Verwirrung endet und Klarheit beginnt


Es ist entscheidend, jedem Mitarbeitenden den individuellen Sinn seiner Arbeit zu verdeutlichen. Es geht darum zu erkennen, welche Wirkung die persönliche Arbeit im Kleinen auf das große Ganze hat. Führungskräfte müssen ihren Teams helfen zu erkennen, wie jede einzelne Aufgabe zum übergeordneten Purpose des Unternehmens beiträgt. So wird der Purpose nicht nur ein abstraktes Konzept, sondern ein greifbarer Teil des täglichen Handelns und Denkens.


Worten müssen Taten folgen


Ein Purpose kann nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn er nicht nur verständlich vermittelt, sondern auch aktiv gelebt wird. Bleiben die Taten aus, wird der Purpose schnell als bloße Spielerei des Managements wahrgenommen und von den Mitarbeitenden zynisch betrachtet. Tatsächlich zeigt sich oft eine Diskrepanz: Unternehmen positionieren sich in der externen Kommunikation zu gesellschaftlich relevanten Themen, doch intern und in den täglichen Handlungen bleibt dies meist unbemerkbar (Biesalski et al., 2020). Studien untermauern diese Beobachtung: Laut einer Online-Umfrage von news aktuell und Faktenkontor wird der Purpose nur in drei von vier Unternehmen, die einen definiert haben, tatsächlich gelebt.


Um den Purpose adäquat zu „leben“, bedarf es einer ganzheitlichen Ausrichtung und Transformation über alle Hierarchien und Abteilungen hinweg. Die Boston Consulting Group beschreibt den Purpose als Kernerfolgsfaktor für Transformationen. Er muss daher Teil der strategischen Ausrichtung sein und das unternehmerische Selbstverständnis sowie die Unternehmensidentität prägen (Biesalski et al., 2020). Doch nur 50% der befragten KMUs nutzen ihren grundlegenden, sinnstiftenden Anspruch als Ausgangspunkt für ihre Unternehmensstrategie (Kienbaum, 2020).


Erfolgsbeispiel Werner & Mertz mit der ökologischen Putzmittel-Marke Frosch


Ein Unternehmen, das seinen Purpose lebt, ist Werner & Mertz. Der Hersteller von Reinigungs- und Pflegemitteln hat den Purpose „Wir retten die Welt mit jedem Tropfen“. Auf der Firmenwebsite beschreibt Werner & Mertz ihren Antrieb so: „Unser Antrieb ist der Wunsch, einen nachhaltigen Lebensstil auch über die Grenzen unserer Marke hinaus für die Mehrheit erreichbar zu machen“ (Werner & Mertz, 2024).


Reinhard Schneider, der Inhaber des Familienunternehmens Werner & Mertz, hebt in einem Artikel des Handelsblatts (2021) hervor, dass Nachhaltigkeit ein zentrales Ziel seines unternehmerischen Handelns ist. Er glaubt, dass die Schnittmenge von Ökologie und Ökonomie in der „Erhaltung unserer Ressourcen“ liegt. Deshalb setzt das Unternehmen nicht nur auf nachhaltige Inhaltsstoffe in den Reinigungsmitteln der Marke Frosch, sondern auch auf umweltfreundliche Verpackungen. Das Ziel ist eine umfassende Kreislaufwirtschaft, bei der kein Abfall entsteht, weil alle Materialien wiederverwendet werden.

 

Und die Firma lässt ihren Worten tatsächlich Taten folgen: Im Jahr 2009 bestanden noch 811 Tonnen der bei Werner & Mertz verwendeten Verpackungen aus Neukunststoff, wobei der Anteil an recyceltem Material unter 30% lag. Zehn Jahre später hat sich die insgesamt verwendete Kunststoffmenge aufgrund des gestiegenen Absatzes zwar auf 5.200 Tonnen fast verfünffacht, doch davon sind nur noch rund 200 Tonnen aus Neukunststoff, während der Rest aus Rezyklat besteht. Für diese beeindruckende Leistung erhielt Reinhard Schneider 2019 den Deutschen Umweltpreis (Handelsblatt, 2021).

 

Nicht nur das: Im Jahr 2019 verzeichnete das Unternehmen das stärkste Umsatzwachstum seiner Geschichte. Zudem ist die Marke Frosch im Putzmittel-Segment in vielen Kategorien Marktführer. Auch bei den Kunden kommt das gut an: In der „Trusted Brands“-Studie von Reader’s Digest wird Frosch mit großem Abstand als vertrauenswürdigste Marke im Bereich Umweltschutz genannt (Handelsblatt, 2021).


Die Lücke muss geschlossen werden


Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft im deutschen Mittelstand also weiterhin eine signifikante Lücke, auch wenn es bereits einige Positivbeispiele gibt. Viele Unternehmen verlieren bedeutendes Potenzial, weil sie ihren Purpose vernachlässigen, unzureichend implementieren oder mangelhaft kommunizieren. Dieses Versäumnis kostet sie die Chance auf eine klare Positionierung und Differenzierung am Markt.


Weiterhin ist ein starker Purpose extrem kultur- und identitätsprägend und kann einen zentralen Wettbewerbsvorteil für die Arbeitgebermarke und -attraktivität darstellen. Er reduziert Komplexität, schafft Sinn im täglichen Tun und stärkt das Gemeinschaftsgefühl der Organisation – und gibt den Mitarbeitenden somit das Gefühl am richtigen Ort zu sein.


Das Schließen der Lücke wird somit nicht nur zum unternehmerischen, sondern auch zum gesellschaftlichen Handlungsimperativ.


Lösungsansatz: SinnPact von Inspiramo


Mit unserem Programm „SinnPact“ helfen wir mittelständischen Unternehmen, ihren Purpose nicht nur zu definieren, sondern ihn tief in ihrer DNA zu verankern. Wenn auch Du Dir Gedanken machst, wie Du mit deiner Organisation die nächste Evolutionsstufe erreichen kannst, oder bereits konkret überlegst, welche Rolle Dein Purpose dabei spielen kann – klicke hier und erfahre mehr über SinnPact.




Quellen


Biesalski et al. (2020) mehr

Capital (2022) mehr

ETL (2023) mehr

Handelsblatt (2021) mehr

Human Resources Manager (2022) mehr

Kienbaum-Studie (2020) mehr

Krügl, S. (2022) mehr

Meedia (2021) mehr

news aktuell und Faktenkontor (2022) mehr

Tamdjidi, (2023) mehr

Viessmann, (2024) mehr

Werner & Mertz (2024) mehr

W&V (2019) mehr

 

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